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Foto: Valéry Kloubert

Gabriele Geiger ist offen, kreativ und pragmatisch. So beschreibt sich die gebürtige Heilbronnerin selbst. Ihre Leidenschaft für Kommunikation und Leadership ist spürbar und nahezu ansteckend. Die digitale Transformation rund um das Thema Marketing ist die treibende Kraft hinter ihrer beruflichen Laufbahn. So ist es nicht ungewöhnlich, dass sie in ihrer aktuellen Position als Vice President Global Marketing & Customer Journey bei EPLAN – einem weltweit führenden Unternehmen für Software-Lösungen im Bereich Maschinen-, Anlagen- und Schaltschrankbau – zu den Entscheidungsträgern gehört. Oder doch? 

Seit jeher sind Frauen in Führungspositionen in privaten und öffentlichen Organisationen weltweit unterrepräsentiert. Bis heute wird das Thema Führung traditionell mit Männlichkeit assoziiert. Dabei weisen mehrere Studien darauf hin, dass Frauen gegenüber Männern wesentliche Vorteile in Führungspositionen haben. Und obwohl ihr das bewusst ist, begründet Gabriele Geiger ihren beruflichen Erfolg mit ihrer Fachkompetenz: „Ich habe ursprünglich nie eine Führungsrolle angestrebt, das ist tatsächlich eher aus der Fachlichkeit und dem Willen, etwas zu verändern, entstanden“, erinnert sie sich.

Ein anderer Anspruch

In ihrer zweiten beruflichen Station nach ihrem betriebswirtschaftlichen Studium – ebenfalls ein Software-Hersteller – ist Gabriele Geiger aufgefallen, dass „lediglich ein paar Anzeigen und Messen“ nicht ihrem Anspruch an ihre Tätigkeit im Marketing entsprechen. Vielmehr trieb sie die Frage nach dem wirklichen Effekt und der Messbarkeit der Maßnahmen. In Kooperation mit ihrem damaligen Arbeitgeber bildete sie sich daraufhin selbst fort und absolvierte Schulungen im Bereich Lead Management und Marketing Automation. Die frischen und neuen Impulse motivierten sie, Verbündete im eigenen Unternehmen zu finden, den Mehrwert im Marketing zu erhöhen und sogar „auf ein neues Level zu heben“. Denn die bisherige Rolle des Marketings als „verlängerte Werkbank des Vertriebs genügte nicht“, so Geiger. Weil sie die Digitalisierung des Marketings als Thema im Unternehmen immer wieder getrieben hat, sprach man sie schließlich an, als eine Führungsstelle frei wurde. So konnte sie bereits mit 28 Jahren ihr erstes Team leiten und einen Bereich aus Marketing, Sales-Support und Tele-Sales aufbauen. „Mir sind schnell die vielen unterschiedlichen Charaktere und Qualifikationen aufgefallen und da war es mir wichtig, mich intensiv mit dem Thema Leadership auseinanderzusetzen“, beschreibt Gabriele Geiger ihre ersten Schritte als Führungskraft. 

Freiraum schafft Potenzial 

Ihre Vision für ein modernes Marketing konnte sie nicht allein umsetzen. Zwei Fragen rückten daher in den Vordergrund: Wie bekommt man Menschen erstens dahin, dass sie das Thema verstehen und zweitens dazu, dass alle an einem Strang ziehen? Die Lösung lag weit weg vom eigenen Selbst: „Wenn Mitarbeitende merken, dass ihre Stärken erkannt und gefördert werden – dann entsteht ein Freiraum, in welchem die Menschen wachsen können. Aber immer mit Blick auf das Ziel“, fügt sie hinzu. Klare Kommunikation sei dabei nicht zu unterschätzen: Jedes Teammitglied müsse wissen, worauf es hinarbeitet und wie der individuelle Wertbeitrag aussieht. Und dann werde plötzlich ganz viel Potenzial frei und man könne beobachten, dass einige Menschen aus ihrer Komfortzone kommen. Vorgegebene Arbeitsabläufe werden infrage gestellt und optimiert. „Freiraum fördert Kreativität und trägt so maßgeblich zum Unternehmenserfolg bei“, resümiert sie.

Vertrauen und Verständnis

Teamspirit ist Gabriele Geiger wichtig: „Wenn ich Bewerbungsgespräche führe, schaue ich natürlich darauf, ob die- oder derjenige ins Team passt und die gleichen Werte und eine gewisse Offenheit mitbringt. Ich halte nichts davon, absichtlich jemanden ins Team zu holen, der stark polarisiert, um eventuell Stimmung zu machen. Manche benutzen dies als Führungsinstrument. Wer das tun muss, der hat verkannt, dass bereits vorher schon einiges schiefgegangen ist.“ Ein erfolgreiches Team vertraut sich und versteht sich. Und diesen Soft Skill zu identifizieren, fällt Gabriele Geiger nach eigener Aussage relativ leicht: „Die fachlichen Kompetenzen eines Bewerbenden abzufragen ist nicht schwierig. Doch herauszufinden, ob die Person Lust auf den Job hat und auch eine Teamplayermentalität mitbringt – ich glaube, das kann ich gut. Ich weiß aber nicht, warum“, lächelt sie. 

Die Leidenschaft für ihr Thema hat sie schließlich angetrieben und die Beschäftigung mit dem Thema Leadership in diversen Workshops und Schulungen sei nicht unbedeutend gewesen. „Das Paradoxe ist ja, dass Führung weder im Studium noch in der Ausbildung gelehrt wird. Man braucht aber schon ein gewisses Talent für den Umgang mit Menschen“, fasst sie zusammen. Viele Personen würden heute immer noch hauptsächlich aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz zur Führungskraft befördert, „doch ein Interesse an Menschen und das Talent zum empathischen Führen sind mindestens genauso wichtig“, so Geiger. 

„Ohne deine Mitarbeitenden bist du als Chefin nichts“

Gemeinsam mit ihrem Team hat sie eine gewisse Augenhöhe zu anderen Abteilungen und Stakeholdern erreicht. „Das hat mich viel Kraft gekostet, denn wo ich einen Mehrwert sah, sahen andere eine Bedrohung“, erzählt sie. Veränderungen fallen vielen Menschen schwer, da ist Kommunikation erforderlich. Viele Gespräche, noch mehr Offenheit und eine gewisse Transparenz ihrer Arbeit seien dabei hilfreich gewesen. „Aber manchmal musste dann auch der Pflock rein und da musste ich Position beziehen“, sagt sie. Zu viele Kompromisse seien ab einem gewissen Punkt schließlich kontraproduktiv. 

Welches Führungstalent hat nun Gabriele Geiger? Sie sagt, es sei ein Zusammenspiel aus diversen Bereichen: „Man muss die vielen verschiedenen Persönlichkeiten, ihre vielfältigen Skillsets und die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Budgets auf ein gemeinsames Ziel hin ausrichten – und dann das Beste rausholen.“ Das sei die große Kunst. Auch die Messbarkeit ihrer Arbeit hat dazu geführt, dass das Marketing nicht länger als „verlängerte Werkbank“ wahrgenommen wurde. Beispielsweise mit Analysen zu Markt- und Zielgruppen sowie zu durchgeführten Maßnahmen konnte ihr Team quasi „beweisen“, dass eine strategische Vorgehensweise am Ende des Tags Sinn ergibt und so einen echten Wertbeitrag innerhalb des Unternehmens leistet. „Und das kann ich nicht ohne meine Leute – ohne deine Mitarbeitenden bist du als Chefin nichts“, stellt sie klar, „und daher kann ich mich gut mit dem Konzept des Leaderships identifizieren“. (Zum Konzept des Leaderships und dem Unterschied zu Management oder Führung lest gerne diesen Beitrag von „Karrierebibel“: Leadership: Mehr als nur Führung)

Eine andere Sichtweise

Gabriele Geiger ist in ihrer Position, weil sie empathisch führt und sie das Know-how im Marketing und das Brennen für ihr Thema auszeichnen. Mittlerweile hat sie auch die Erfahrung gemacht, dass weibliche Führungskräfte durchaus anders agieren und häufig einen anderen Blick auf die Dinge haben. Als einzige Frau im Management Board sei ihr beispielsweise aufgefallen, dass sich durch die Corona-Pandemie und die damit fehlenden sozialen Kontakte eine Art Müdigkeit ins Unternehmen eingeschlichen hat: „Viele Mitarbeitende sind an ihre Belastungsgrenze gekommen – permanent im Homeoffice, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So habe ich das Thema angesprochen und wir konnten recht schnell ein digitales ‚Fit at Work’-Sportprogramm auf die Beine stellen.“ Und wie reagierten ihre männlichen Mitstreiter auf diesen anderen Blickwinkel? Sie überlegt kurz und antwortet: „Überrascht, aber dankbar.“

Gemeinsam mit u. a. EPLAN arbeitet Phoenix Contact an einem Wissensnetzwerk für den Schaltschrankbau. Schau mal vorbei bei den Schaltschrankgestaltern.

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