2.9
(9)

Der Klimawandel ist eine der dringendsten Herausforderungen unserer Zeit. Wirtschaft und Politik haben sich die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben. Dabei geht es allerdings oft auch um die richtigen Begriffe: Klima-, Treibhausgas- oder CO₂-Neutralität sind längst nicht das Gleiche. Phoenix Contact kann als Unternehmen für sich in Anspruch nehmen, auf dem Weg zu einem wirklich nachhaltigen Wirtschaften und unternehmerischer Verantwortung schon viel erreicht zu haben. Am selbst gesteckten Ziel der weltweiten CO₂-Neutralität für das gesamte Unternehmen wird weiter gearbeitet. Im Gespräch mit Stefan Gottschalk, Energy Manager bei Phoenix Contact, zeigt sich, dass es in der Entwicklung zu einer nachhaltigeren Welt und einer lebenswerteren Zukunft oft um kleine Schritte und Nuancen in den Begrifflichkeiten geht. 

Aus Sicht eines Experten: Was unterscheidet Klima- und CO₂-Neutralität und wieso verwenden wir den ersten, umfassenderen Begriff bei Phoenix Contact nicht?

Stefan Gottschalk: Wir sprechen im Bereich der Energieversorgung bisher lieber von CO₂-Neutralität. Bei der Klimaneutralität werden nämlich sämtliche klimaschädlichen Stoffe betrachtet. Will man dem Begriff der Klimaneutralität wirklich gerecht werden, verlangt es weitreichende und hochkomplexe Bilanzen und Berechnungen. Bei der CO₂-Neutralität lassen sich die Anforderungen sehr viel genauer berechnen. Dabei spielt aber z. B. nicht nur CO₂ eine Rolle, sondern auch ein viel klimaschädlicheres Gas wie Methan oder die Stickoxide. Das alles wird in sogenannte „CO₂-Äquivalente“ umgerechnet. In der Praxis betrifft uns vor allem CO₂, von den anderen Gasen stoßen wir sehr wenig aus. Daher sprechen wir auch von CO₂-Neutralität. In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf die Energieversorgung. Mein Ziel ist, dass wir sagen können: Wir sind weltweit CO₂-neutral in der Energieversorgung.

Das bedeutet, die Bereiche jenseits der Energieversorgung sind noch nicht erfasst?

Stefan Gottschalk: Die CO₂-Neutralität im Bereich der Wertkette ist noch nicht erreicht. Die wird bei Phoenix Contact mit dem Fachbegriff Scope 3 beschrieben. Wir kümmern uns zunächst um Scope 1 und 2. Scope 1 ist das, was wir am Standort Blomberg ausstoßen, also direkt im Unternehmen, wie durch das hier eingesetzte Erdgas. Scope 2 berücksichtigt hauptsächlich den Strom, den wir beziehen. Den betrachten wir, da die Erzeugung von Strom an anderer Stelle CO₂ emittiert. Scope 3 folgt bei uns im Unternehmen in mehreren getrennten Projekten. Beim Scope 3 sind die Ziele am schwierigsten zu erreichen. Dort wird alles betrachtet, vom Materialtransport über den CO₂-Ausstoß der Materialien bis zur Auslieferung unserer Produkte und der Nutzungsphase beim Kunden. Selbst das Recycling der Produkte gehört dazu. Der Scope 3 ist daher vom Volumen her weitaus größer als Scope 1 und 2 zusammen.

Dann dürfte es noch dauern, bis Phoenix Contact diese großen Ziele erreichen kann?

Stefan Gottschalk: Immerhin haben wir uns in diesem Jahr schon auf den Weg gemacht. Wir haben uns für Scope 3 einen Rahmen bis 2030 gesetzt. In dem Projekt müssen wir zunächst alle Daten erfassen, bevor wir daran gehen können, die CO₂-Emissionen zu vermeiden. Die Herausforderung besteht bei diesem Projekt darin, die Daten für unsere individuellen Lieferketten im Detail zu ermitteln. In Scope 3 werden schließlich auch die bei unseren Lieferanten entstehenden Emissionen betrachtet oder selbst die Umweltbelastungen, die beim Einsatz unserer Produkte in den verschiedensten Maschinen und Anlagen entstehen.

Aber selbstverständlich stellen wir uns auch diesen Aspekten. Denn unseren ökologischen Fußabdruck ganzheitlich zu ermitteln und zu reduzieren sehen wir als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung.

Wie weit ist das Unternehmen bei den ersten beiden Scopes?

Stefan Gottschalk: In Deutschland sind wir hinsichtlich der Scopes 1 und 2 seit Anfang des Jahres 2021 CO₂-neutral, in Europa seit Juli. Weltweit werden wir zum Ende des Jahres so weit sein. Aber das bedeutet nicht, dass wir mit dem Thema durch sind. Bisher erreichen wir nämlich viel über die Investition in weltweite Klimaschutzprojekte – wenn wir z. B. Windenergieanlagen in Indien unterstützen. Wir wollen diese Mengen aber langfristig betrachtet durch die Steigerung unserer Energieeffizienz sowie den Ausbau eigener erneuerbarer Energien kompensieren.

Wie sieht die Gesamtstrategie zur Erreichung dieser Ziele aus?

Stefan Gottschalk: Im Kern besteht unsere Strategie aus vier Säulen. Die Erste ist das Ziel, Energie zu sparen. Hier sind wir inzwischen sehr weit gekommen. Diesen Bereich wollen wir in Zukunft maximal ausschöpfen. Die zweite Säule ist der Zukauf von Ökostrom. Das ist etwas, womit wir im Moment schon viel erreichen. Wir planen aber auch noch weitere Schritte. Wir betrachten z. B. Möglichkeiten, Ökostrom direkt aus lokalen Windkraftanlagen zu beziehen. Diese Aktivitäten bringen sehr viel und unmittelbar etwas fürs Klima. Bei der dritten Säule bauen wir eigene Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung im Unternehmen aus. In den meisten Fällen sind das Photovoltaikanlagen. Wir betrachten aber auch den Aufbau einer eigenen Windenergieanlage, dort investieren wir zurzeit ebenfalls stark. In diesem Jahr bauen wir schon über ein Megawatt auf, im nächsten Jahr folgen weitere Anlagen. Bei der vierten Säule versuchen wir, den verbleibenden CO₂-Ausstoß zu kompensieren. Dafür investieren wir in weltweite Klimaschutzprojekte, die sowohl sozial als auch ökologisch einen großen Mehrwert bringen.

Da wir gerade von Investitionen sprechen: In den letzten Jahren hat Phoenix Contact in eigene Blockheizkraftwerke investiert. Die mögen sehr effizient sein, aber diese Kraftwerke verbrennen Gas und stoßen damit direkt CO₂ aus. 

Stefan Gottschalk: Auch dafür haben wir gute Lösungen. Die Emissionen durch das Gas werden durch die Klimaschutzprojekte kompensiert. Dabei setzen wir auf die höchste anerkannte Zertifizierung in diesem Bereich, den sogenannten „Gold Standard“. Dieser wird exklusiv von der gleichnamigen Schweizer Non-Profit-Stiftung vergeben. Den „Gold Standard“ erhalten nur Projekte, die einerseits nachweislich zur Reduktion von Treibhausgasen führen und auf der anderen Seite positive Auswirkungen auf die lokale Umwelt und Bevölkerung haben. Hier investieren wir in verschiedensten Ländern in entsprechende Projekte.

Um was für Projekte handelt es sich bei solchen Kompensationslösungen?

Stefan Gottschalk: Da ist z. B. ein Windpark, in den wir gerade investiert haben. All diese Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien verbindet, dass sie zusätzlich realisiert werden. Außerdem dürfen sie nicht anderweitig subventioniert werden. Nur dann können die eingesparten Emissionen den beteiligten Unternehmen gutgeschrieben werden. Die errechneten CO₂-Einsparungen werden durch ausgewählte Standards verifiziert und auf eine Art Konto eingezahlt. Über ein Register im Internet können sie dann gebucht werden. Mit diesen Projekten kompensieren wir z. B. unseren Gasbezug, die Pkw-Kraftstoffe und das Heizöl. Die entsprechenden Organisationen prüfen das genau. Projekte dieser Art in Deutschland zu finden ist übrigens sehr schwierig, da unser Land viel in den Klimaschutz durch Subventionen investiert.

Seit wann geht Phoenix Contact diesen Weg?

Stefan Gottschalk: Seit Januar 2021. Es gibt im Bereich der Kompensation sehr unterschiedliche Projekte, etwa im Baumschutz. Mit unserem Unternehmenshintergrund beteiligen wir uns bevorzugt bei Anlagen wie Wind- und Photovoltaikparks, weil dort unser technisches Know-how zum Tragen kommt. Das liegt uns einfach.

Und der Strom, der bei Phoenix Contact zur Verwendung kommt?

Stefan Gottschalk: Der wird durch den Einkauf von Ökostrom abgedeckt. Das läuft in Europa über Herkunftsnachweise, die in entsprechenden Paketen gekauft werden. In unserem Fall läuft das z. B. über den lokalen Stromanbieter, die Blomberger Versorgungsbetriebe. Wir kaufen nur Strom mit einem Qualitätssiegel. Dadurch stellen wir sicher, dass der Strom nicht von Altanlagen kommt und der Effekt für das Klima letztlich so positiv wie möglich ist.

Es scheint noch ein weiter Weg bis zu einer wirklichen Klimaneutralität.

Stefan Gottschalk: Aus Sicht des Unternehmens ist das schon eine längerfristige Aufgabe. Aber der Klimawandel ist ja auch eine, wenn nicht die größte Herausforderung für die Menschheit in diesem Jahrhundert.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 2.9 / 5. Anzahl Bewertungen: 9

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

0 Kommentare