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Seit Beginn der Pandemie sind einige Monate vergangen. Nach einer surrealen Zeit, in der gefühlt alles Kopf stand, ist an vielen Stellen wieder so etwas wie Normalität in Sicht. Da sich unsere zweieinhalbjährige Tochter aber noch nicht für Biergärten, Tattoo-Studios oder Kosmetiksalons begeistern lassen will, meistern mein Mann und ich weiterhin den Spagat zwischen Homeoffice und Ganztages-Kinderbetreuung.

Meine ursprüngliche Vorstellung vom Homeoffice

6.00 Uhr: Mein Arbeitstag startet. Ich genehmige mir, ungeduscht im Schlafanzug die erste „Schicht“ am Schreibtisch zu schieben. Wenn unsere Tochter noch schläft, alles ruhig ist und ich so richtig etwas abarbeiten kann.

8.00 Uhr: Gemeinsames Frühstück mit unserer gerade aufgewachten Tochter, eine Runde spielen und duschen.

9.30 Uhr: Meine zweite „Schicht“ am Schreibtisch startet. Die gut gelaunte Tochter spielt hinter mir in ihrer eigens dafür eingerichteten Spielecke, die ich abends zuvor mit den ausgefallensten Ideen wieder attraktiv gestaltet habe.

Spielecke für die Tochter im Homeoffice

11.00 Uhr: Endspurt, die Kleine darf noch eine halbe Stunde Sendung-mit-der-Maus-Clips schauen, bis ich fertig bin.

11.30 Uhr: Hurra, Arbeitstag geschafft! Jetzt ist noch genügend Zeit, um das Kind pädagogisch wertvoll zu bespaßen, den Garten unsicher zu machen und gemeinsame Quality-Time zu genießen.

So schön diese Wunschvorstellung war, so unrealistisch war sie auch. Tatsächlich sieht jeder Arbeitstag anders aus. Manchmal ungefähr so:

Die Realität

7.30 Uhr: Manche Eltern kennen dieses Phänomen: Das Kind schläft seelenruhig, hat aber einen eingebauten Sensor, der es aus dem allertiefsten Tiefschlaf holt, sobald der Erwachsene darüber nachdenkt, das Bett zu verlassen. So ist es bei unserer Tochter an fünf von sieben Tagen. Deshalb funktioniert es zwar gelegentlich mit der Frühschicht, aber längst nicht so häufig wie gewünscht. Das bedeutet für mich: mehr Multitasking. Gemeinsam aufstehen, frühstücken und eine Runde spielen. Dabei werden aus einer Runde oft mehrere Runden, denn auch mein Kind weiß: Bald werden die Laptops aufgeklappt.

9.00 Uhr: Die Laptops werden aufgeklappt. Leider nicht nur die dienstlichen, sondern auch mein privater. Für meine Tochter. So spannend die neue Spielecke anfangs auch war, irgendwann überzeugt auch die tollste Toddler-Fun-Idee von Pinterest nicht mehr, wenn man sie allein bespielen muss. Immerhin: Ich kann in Ruhe arbeiten. Obwohl: Das ist gelogen. Das Gegrunze von Peppa Wutz hört man nämlich sogar durch die Noice-Cancelling-Kopfhörer. 

10.30 Uhr: Mein Laptop wird zugeklappt – nicht von mir. Ich versuche mir einzureden, dass das auf seltsame Weise etwas Positives ist: Meine Tochter hat ganz von sich aus genug vom Fernsehen. „So, genug geschaut“, sagt sie. „Jetzt was mit dir spielen, Mama.“ Okay. Zum Glück habe ich normalerweise nur wenige Besprechungen und kann mir meine Arbeitszeit deshalb recht frei einteilen. Also: Pause.

11 Uhr: Ich möchte arbeiten. Meine Tochter nicht. Sie möchte weiter spielen. Der Kompromiss: Ich arbeite im Wohnzimmer. Und nein, da steht kein weiterer Schreibtisch. Aber wechselnde Sitzhaltungen sind ja angeblich eh am gesündesten und so arbeite ich eine Stunde mit Laptop auf den Knien auf dem Wohnzimmersofa. Zum Glück reicht meiner Tochter in dieser Zeit meine physische Anwesenheit – sogar Kopfhörer werden mir erlaubt. Zustimmend nicken und mit einer Hand animierend gestikulieren geht nämlich auch ohne Ton.

12 Uhr: Gemeinsames Mittagessen. Es gibt Reste vom Vortag oder die gute alte Stulle.

13 Uhr: Ich möchte weiterarbeiten. Meine Tochter nicht. Wir finden keinen Kompromiss, allein spielen ist jetzt auch im Wohnzimmer doof. Ich frage sie, ob sie Mittagsschlaf machen möchte. Rennende Kinderfüße und eine knallende Tür signalisieren mir, dass das wohl nichts wird. Stattdessen fahren wir gemeinsam eine Runde mit dem Fahrrad und machen Halt am Spielplatz.

14.30 Uhr: Jetzt aber wirklich arbeiten. Meine Tochter kann ich zu einer halben Stunde Janoschs Traumstunde überreden.

15 Uhr: Mein Mann geht mit unserer Tochter in den Garten und ich arbeite die letzte Stunde meines Arbeitstags – jetzt wieder ergonomisch vorbildlich und in Ruhe an meinem Schreibtisch.

Ausgleich zum Homeoffice: der Sandkasten im Garten

16 Uhr: Arbeitstag geschafft. Jetzt bekommt unsere Tochter eine Stunde exklusive Aufmerksamkeit ohne Ablenkungen, Vertröstungen oder elektronische Geräte. Am liebsten draußen mit schmutzigen Händen und Blättergeraschel im Hintergrund. In dieser Zeit fühlt sich alles wie immer an und wir genießen das Stückchen Normalität.

17 Uhr: Gemeinsames Kochen und anschließendes Essen. Ja, jetzt gibt es tatsächlich etwas Warmes und frisch Gekochtes zu essen!

18.30 Uhr: Letzte Spielrunde des Tages.

20.30 Uhr: Die Tochter schläft. Und wir auch bald. Denn vielleicht funktioniert es ja morgen mit der Frühschicht.

Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung. Es ist nicht jeden Tag alles schön, obwohl wir die dazugewonnene Zeit mit unserer Tochter auch genießen. Wir sind dankbar, dass wir zuhause arbeiten können und wundern uns manchmal, wo die Zeit geblieben ist. Was, schon drei Monate im Homeoffice? So fühlt es sich nicht an und ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Ich bin zuversichtlich, dass wir die restliche Zeit ohne Kita und Großraumbüro ebenso gut meistern werden wie die bisherige.

Tipps für die Arbeit im Homeoffice gibt es auch hier: Fit im Homeoffice: 6 Übungen gegen Verspannungen und Nackenschmerzen

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