Nachhaltigkeit ist auch eine Frage der Psychologie
Die Psychologie hält Einzug in die Produktion. Was das bringt? Mehr Verständnis für zwischenmenschliche Prozesse, Verhaltensmuster und vor allem reichlich Futter, innerhalb einer nachhaltigen Wertkette besser zu werden. Die Psychologie bietet dafür handfeste empirische Methoden – und diese nutzt Dr. Till Potente am Standort von Phoenix Contact in Bad Pyrmont gezielt, um Nachhaltigkeitsprojekte noch effizienter zu machen.
„Nachhaltige Köpfe“ – das sind Kolleginnen und Kollegen bei Phoenix Contact, die mit ihren Projekten einen wertvollen Beitrag für eine nachhaltige Wertschöpfungskette leisten. Sie alle haben das Ziel, den ökologischen Fußabdruck unseres Unternehmens zu minimieren und Energie und Ressourcen effizienter zu nutzen. In unserer Reihe erzählen wir, was sie tun und was sie antreibt.
Eigentlich hat Till Potente mit den Geisteswissenschaften wenig Berührungspunkte – wenn da nicht während seiner Promotion über „Einfluss der Montagestruktur auf die Leistungsentwicklung manueller Montagesysteme“ am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen so eine enge Zusammenarbeit mit Soziologen entstanden wäre. Heute ist der 44-Jährige Vice President Operations & Sustainability in der Business Area Industry Management and Automation (BA IMA) und gehört damit zu den Vorreitern bei Phoenix Contact mit der Befugnis, auch Personal einzustellen, das so gar nicht technisch zentriert ist.
Die menschliche Natur im Prozess
Was kann die Wirtschafts- und Organisationspsychologie konkret tun im Kontext einer industriellen Produktion, die immer mehr auf Nachhaltigkeit gedrillt wird? Nehmen wir dazu an, dass ein neuer Prozess gut geplant und professionell ausgeführt wird. Nehmen wir weiter an, dass die Belegschaft top motiviert und geschult ist. Und dennoch passieren immer wieder Fehler und es entstehen Produktivitätsverluste. „Der Grund dafür ist menschlicher Natur“, sagt Potente. „Es sind psychologische Einflussfaktoren, die nicht berücksichtigt sind. Und dann wird aufgrund von Verhaltensmustern, gelebter Praxis oder persönlicher Konditionierung nicht wie vorgesehen entschieden und gehandelt.“ Diesem Phänomen lässt sich mit einer strengeren Disziplin nur begrenzt erfolgreich begegnen, sondern vielmehr mit grundlegenden Verhaltensänderungen sowie anders geführten Entscheidungswegen.
Das Grundverständnis fördern
In der Produktion also nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen: Wer gelebtes Verhalten verändern will, muss am Verhalten arbeiten – und im zweiten Schritt den Prozess optimieren. Es geht folglich darum, mit Hilfe der Psychologie Entscheidungsprozesse aufzubauen und Verhaltensanker aktiv zu gestalten. „Und das hat direkten Einfluss auf den Erfolg von Projekten“, unterstreicht Till Potente. Typische psychologische Einflussfaktoren sind an dieser Stelle Voreingenommenheit, in der Psychologie Bias genannt, Gewohnheiten oder Habits, Gruppendruck sowie vorschnelle Schlussfolgerungen.
Doch wie lassen sich gelebte Verhaltensmuster verändern? Eine Methode heißt Nudging, was übersetzt anstupsen heißt. Dahinter steht eine Methode, mit der sich durch gezielte Trigger Verhalten einleiten lassen – etwa hinter sich das Licht auszuschalten oder auf Rolltreppen rechts zu stehen. Nudging ist recht neu innerhalb der Wirtschaftswissenschaften. Anerkennung erhielt Richard H. Thaler als geistiger Vater 2017 mit der Verleihung des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises.
Auch mal gezielt anstupsen
Aktuell unterstützt der Anstups-Ansatz in der PCLnext Factory in Bad Pyrmont zum Beispiel dabei, durch optische Elemente schnell die richtigen Rollen mit Elektronikbauteilen in der Bestückung zu greifen. Ebenfalls fließt Nudging in die Gestaltung von Nutzeroberflächen auf Bildschirmen ein – oder gibt klare Orientierung für die platzsparende Zwischenlagerung von Magazinwagen auf der Produktionsfläche. „Die Lösungen sind am Ende einfach und überaus effektiv“, fasst Potente zusammen. Die Intention von Nudging lässt sich mit „Gehirnergonomie“ vergleichen.
So neu das Thema Psychologie in der Produktion sicher ist, so schnell haben sich bereits die ersten Erfolge eingestellt. Die Einführung eines Shopfloor-Managements hat laut Potente dazu geführt, Fehler in der Produktion schneller zu erkennen. Gerade in komplexen Situationen helfe die Psychologie, besser zu entscheiden. „Wir würden uns eine Chance nehmen, wenn wir sie nicht für unsere eigenen Prozesse und vor allem auch unsere Nachhaltigkeitsziele nutzen.“ Es reicht schließlich nicht aus, eine Produktion technisch so effizient und effektiv wie möglich zu gestalten, ohne dabei den gesunden Menschenverstand außer Acht zu lassen. Nachhaltigkeitsziele lassen sich in der Produktion am besten mit dem Menschen als tragende Rolle erreichen. Nichts entgeht seiner Natur, seinem natürlichen Verhalten und seiner Erfahrung. „Gerade der letzte Punkt bringt uns weiter auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.“
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Täglich ein bisschen „Die Sendung mit der Maus“. Das betrachte ich seit mehr als 20 Jahren Fachredaktion und Fotografie immer noch als echtes Geschenk. Wo habe ich sonst die Gelegenheit, in so viele industrielle Anwendungsgebiete mit ganz viel Neugier hineinschauen zu können? Das Beste: die Recherchegespräche mit Menschen, die für ihre Sache und ihren Beruf lichterloh brennen. Bei Phoenix Contact haben wir noch viel vor mit dem Erzählen spannender Geschichten – vor allem, wenn es um zukunftsweisende Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit geht.
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